Das Erzählen von Geschichten ist vergleichbar mit Aktivitäten wie Malen oder Zeichnen. Während eine leere Leinwand oder ein leeres Blatt Papier viele Möglichkeiten offen lässt, verwenden Künstler gängige Stile oder Trends, um ihre Botschaft zu vermitteln. Zu diesem Zweck verwenden Geschichtenerzähler viele bekannte Themen und Tropen, so dass auch der erfahrenste Kritiker vorhersagen kann, in welche Richtung die Erzählung gehen wird. Manche Geschichten zielen darauf ab, „Erwartungen zu unterlaufen“, doch American Arcadia ist eine der wenigen spielbasierten Erzählungen der letzten Jahre, die dies außergewöhnlich gut schafft. Darüber hinaus verwendet es mehrere Blickwinkel und Gameplay-Elemente, die für Abwechslung sorgen, und die Präsentation ist hervorragend und einzigartig. Doch mehr dazu in unserem Test.
Eine unechte, aber so schön ausgearbeitete Welt
Eines Tages lebt Trevor Mills noch sein eher langweiliges, aber komfortables Leben – und am nächsten rennt er plötzlich um sein Leben. Wie es dazu kam? Nun, weil er der unbeliebteste Bewohner der Stadt Arcadia ist. Oder besser gesagt: die unbeliebteste Figur in der TV- und Streaming-Show American Arcadia. Denn Trevors ganzes Leben war nie wirklich seins – es wurde von Anfang an für Millionen Zuschauer:innen inszeniert. Jetzt, in diesem 2.5D-Puzzle-Platformer, muss er vor einem Exekutionskommando fliehen, das ihn endgültig aus dem Programm nehmen will. Hilfe bekommt er dabei von einer mysteriösen Unterstützerin namens „Kovacs“, die ihn aus der Ferne durch elektronische Eingriffe und technische Hilfsmittel immer wieder vor dem Schlimmsten bewahrt.

An bestimmten Stellen übernehmt Ihr selbst die Kontrolle über Kovacs – hinter den Kulissen und immer auf der Hut vor Walton Media, dem Konzern, der American Arcadia produziert. Die Firma hat ein legales Netz geschaffen, das die Bürger Arcadias praktisch gefangen hält – ihr gesamtes Leben wird rund um die Uhr übertragen, für ein Publikum, das sie nie sehen oder kennenlernen werden. Eine Reality-Show aus der Hölle. Was wirklich begeistert, ist das Worldbuilding, das großartige Writing und die pointierte Gesellschaftskritik. Durch die unterschiedlichen Perspektiven von Trevor und Kovacs bekommt Ihr ein Gefühl dafür, was in beiden „Welten“ vor sich geht. Der 70er-Jahre-Look der Stadt Arcadia ist auffällig und stilvoll und unterstreicht die Dystopie perfekt: Die Menschen leben in einem goldenen Käfig – ihnen wird jede Form von Freiheit genommen, nur zur Unterhaltung eines gesichtslosen Publikums.

Viel Trial & Error hätte nicht sein müssen
Story und Gameplay fesseln von Anfang bis Ende. Man will unbedingt wissen, wie es weitergeht, und manchmal fühlt man sich fast wie ein:e Zuschauer:in der Show selbst. Vor allem die cleveren Actionpassagen, bei denen man gleichzeitig mit Trevor fliehen und mit Kovacs agieren muss, stechen hervor. Eine besonders gelungene Szene war die, in der Trevor sich schleichend fortbewegt, während Kovacs gleichzeitig ein Verhör durch Walton-Sicherheitskräfte durchsteht – solche Momente zeigen die wahre Stärke von American Arcadia. Auch die Kritik an den parasozialen Beziehungen zwischen den Zuschauer:innen und den Arcadianern ist stark umgesetzt – besonders im späteren Verlauf, wenn Millionen Menschen plötzlich Trevor die Daumen drücken. Die meisten wollen aber trotzdem einfach nur unterhalten werden – selbst wenn sie wissen, dass sein Leid echt ist. Nur wenige erkennen, wie verdreht das System wirklich ist, und hoffen auf seine Flucht. Doch egal auf welcher Seite sie stehen – sie schauen trotzdem weiter zu.

Natürlich ist nicht alles perfekt: Auf der PS5 gab es in manchen Zwischensequenzen unschöne Flimmereffekte, die zwar nur in Cutscenes auftauchten, aber trotzdem störend wirkten. Auch einige Rätsel- und Verfolgungsszenen waren sehr streng getaktet und erforderten viele Neustarts, weil die Zeitfenster ziemlich knapp bemessen waren. Trotzdem gelingt es American Arcadia, eine extrem spannende und kluge Geschichte zu erzählen – eine, die sich manchmal fast schon unheimlich nah an unserer Realität anfühlt. Die Mischung aus intelligentem Gameplay, starker Erzählung und tollen Figuren sorgt dafür, dass Trevors waghalsige Flucht nicht nur für ihn, sondern auch für die Show selbst ein echter Quotenhit wird.

Fazit
American Arcadia bietet eine wunderbar durchgestaltete Welt und wird durch die beiden völlig unterschiedlichen Gameplay-Winkel wirklich nicht langweilig. Und wer glaubt genau zu wissen, auf was das alles hinausläuft, wird mit Sicherheit überrascht werden. Nur manche nervige Passagen hätten wirklich nicht sein müssen.

Positiv:
+ toll gestaltete Umgebungen
+ klasse englische Synchro
+ bietet durch zwei Protagonisten komplett unterschiedliches Gameplay
Negativ:
– teils nervige Trial & Error-Bereiche