Ist das noch Satire? Ein Kommentar zur Folterszene in GTA V

Seit nicht ganz zwei Wochen steht der neueste Ableger der Gangstersandbox GTA in den Händlerregalen. Auch die Mainstream Medien sind voll mit Berichten zu diesem Spiel, was jedoch nicht nur an den enorm hohen Verkaufsumsätzen oder der vorübergehenden Unverfügbarkeit des Titels liegt: nein, ein solch kontroverses Spiel wie Grand Theft Auto V macht natürlich hauptsächlich Negativschlagzeilen.

Doch wie kommt es, dass die Augen der Weltöffentlichkeit auf einem Videospiel ruhen, das ohnehin für seine Gewaltexzesse bekannt ist? Ich spanne euch nicht länger auf die Folter, denn genau das Gegenteil ist auch der Grund, warum sogar Menschenrechtsorganisationen, wie unter anderem Freedom from Torture, zum Sturm auf Rockstar blasen: die Folterszene in GTA V.

!!! A-C-H-T-U-N-G !!! S-P-O-I-L-E-R !!! A-C-H-T-U-N-G !!! S-P-O-I-L-E-R !!! A-C-H-T-U-N-G !!!

My name is Trevor and I’m just trying to be an evil person!

Hallo Kinder. Das ist der Trevor. Der Trevor wirkt nicht gerade wie ein sympathischer Kerl. Kein Wunder. Ist er nämlich auch nicht! Der Trevor verkauft nämlich Drogen im großen Stil, zeigt soziopathisch-psychopathische Wesenszüge und ist das pixelgewordene Abziehbild des amerikanischen White-Trailer-Trashs. Aufgrund der genannten Eigenschaften kann man Trevor Philips also höchstens dann amüsant finden, wenn man ihn als extrem überzeichnete Parodie der amerikanischen Unterschicht ansieht.

Neue Dimensionen der spielbaren Gewalt

Das letzte Fünkchen Sympathie für den Hinterwäldler geht allerdings schnell verloren, sobald die Mission „By the book“ zu spielen ist – angemerkt sei hier vor allem der Zwang. Der Spieler muss die Foltermethoden selbst bestimmen – von Zähneziehen, über Elektroschocks, bis hin zum Benzinkanister ist die ganze Litanei der Qualen vertreten. Und auch die Folter selbst beschränkt sich nicht auf eine Sequenz, die man nur über sich ergehen lässt. Sie wird durch sehr explizite Tasten- und Stickbewegungen aktiv exekutiert.

Satire oder Effekthascherei?

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Rockstar, die für Kontroversen und beißende Satire in ihren Spielen berühmtberüchtigt sind, servieren dem Spieler eine Tour de Force ungekannten Ausmaßes. Jetzt gibt es da sicher diejenigen, die das sogar noch cool finden. Für mich persönlich war es schwer auszuhalten. Ich konnte bei der Sequenz nicht wirklich hinsehen und ärgerte mich, als ich sogar mit eigenen Tastendrücken foltern musste. Ein flaues Gefühl lag danach in meiner Magengrube und ich fragte mich, wie viele andere Spieler auch, ob denn das unbedingt nötig sei? Ist das noch Satire unserer verrohten Gesellschaft, oder versucht man hier mit überzogener Gewalt eine neue sadistische Käuferschicht zu akquirieren?

Für Keith Best, Sprecher der Menschenrechtsgruppierung Freedom from Torture, ist der Fall klar: „Rockstar North hat eine Linie überschritten, indem sie Spieler zwingen, die Rolle eines Folterknechts zu übernehmen und unaussprechliche Taten zu begehen, um im Spiel erfolgreich zu sein. Folter ist Realität und kein Spiel. Es in der Popkultur zu verherrlichen, macht die Arbeit von Freedom from Torture und anderen Aktivisten zunichte“, so Best im Interview mit dem britischen Guardian

Schau in den Spiegel, Gesellschaft!

Unmittelbar nach dieser Session saß mir der Schock tief in den Knochen. Der Gefangene überlebt die Tortur und wird im Anschluss von Folterknecht Trevor zum Flughafen gebracht. Während dieser Fahrt wird dann wieder der beissend-satirische Subtext der brachialen Folterorgie in einem Gespräch zwischen Trevor und dem Gefolterten deutlich: „Folter ist nur für den Folterer da. Oder für denjenigen, der die Folter anordnet. Man foltert um des Spaßes willen! Wir alle sollten uns das eingestehen. Um Information zu erlangen, ist sie nutzlos“, so Trevor.

Auf äußerst krasse Weise hält uns Grand Theft Auto also seit nunmehr 16 Jahren den Spiegel vor. Denn die Serie war seit jeher eine beißende Karikatur unserer modernen Gesellschaft und ging mit zeitgeschichtlichen Ereignissen hart ins Gericht. Je schlimmer die Realität wurde, umso krasser wurde der Zynismus von GTA. Das Spiel hat eine explizite Botschaft, wenn man sie versteht! Jedoch benötigt es hierzu einen gewissen Level an ethisch moralischem Intellekt, um den Kern der zynischen Message zu verstehen.

Die Verantwortungslosigkeit der Eltern

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Was aber, wenn Kinder so etwas in die Hände bekommen? Diesen Vorwurf kann man Rockstar beim besten Willen nicht machen, denn das Spiel ist offiziell für ein erwachsenes Publikum gedacht und hat daher eine berechtigte Freigabe ab 18 Jahren.

Dass die Realität aber anders aussieht, kann ich aus eigener Erfahrung als Verkäufer bei einer großen Videospielkette sagen. Kinder im Alter zwischen acht und zwölf Jahren kommen oft in den Laden und verlangen nach dem Spiel. Ich verweigere es ihnen, keine fünf Minuten stehen sie mit den Eltern wieder auf der Matte.

GTA als vermeintliche Ruhigstellung

Selbst die Aufklärung der Erziehungsberechtigten bringt meist gar nichts. Stattdessen darf man sich zum Teil dumm anreden lassen, warum man sich in die Erziehung einmische. An dieser Stelle möchte ich diesen Eltern eine persönliche Botschaft mitteilen: Schämt euch tief in Grund und Boden! Durch den Kauf dieses Spiels für eure Kleinen zerstört ihr die kindliche Unschuld. Der Grund hierfür ist vermutlich eure feierabendliche Ruhe, die ihr euch versprecht, wenn das Kind dank GTA-Beschäftigungstherapie den Mund hält! Aber wartet nur, wenn eure Kinder heranwachsen. Wenn sie weder Respekt für euch noch Andere, geschweige denn ethisch-moralische Werte haben! Dann bekommt ihr eure Quittung! Dann werdet ihr euch wünschen, ihr hättet auf eure Entspannung gepfiffen und diese Zeit lieber in die ordentliche Erziehung eurer kleinen Schutzbefohlenen investiert!

Alles zu seiner Zeit!

Bitte versteht mich hier nicht falsch! Ich sage mit keiner Silbe, dass GTA oder sogenannte Killerspiele grundlegend böse sind. Ich sage lediglich, dass es ein Alter gibt, mit dem man bereit für diese Sachen ist, denn man wächst ja auch in dieser Gesellschaft auf und bekommt dadurch ein Gefühl für gesellschaftliche Vorgänge und der Unterscheidung zwischen Realität und Spiel. Man lernt Sozialkritik zu verstehen und in welch krassen Formen uns diese – wie im Falle von Rockstar – um die Ohren geschlagen werden kann. Mit 12 Jahren ist dieser Entwicklungsschritt aber noch nicht vollzogen!

Was haltet ihr von diesem Thema? Wie ging es euch, als ihr das gespielt habt? Ist es eurer Ansicht nach Satire oder Hausieren mit virtueller Gewalt?

Teilt uns eure Meinung mit

Written by: DarkDude von Killerz

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