GRID Review – Mit Vollgas in die Identitätskrise

Codemasters hat 2019 wohl die stärkste Release-Offensive seit Jahren gestartet: Nachdem Enthusiasten Dank des hervorragenden DiRT Rally 2.0 sowie dem ebenfalls sehr guten F1 2019 bereits bedient wurden, will man mit GRID, dem Reboot zur Race Driver GRID Serie, welche zuletzt 2014 mit Autosport ihren letzten (guten) Ableger erhalten hat, nun Fans rasanter Arcade-Rasereien ansprechen und die Franchise mehr in Richtung des ersten Teils bewegen. Lest nach, warum GRID in seiner Kerndisziplin zwar auf Hochtouren geht, beim Rest allerdings überraschend oberflächlich ausgefallen ist und der Serie eine waschechte Identitätskrise beschert hat.

Viel Inhalt und doch kaum Umfang

Eine Story oder einen Karrieremodus im klassischen Sinn sucht ihr bei GRID vergebens: Vielmehr müsst ihr verschiedene Rennserien in mehreren Disziplinen wie klassischen Touring Cars, Tuner oder gemischten Klassen absolvieren, um so schlussendlich in allen Bereichen in einem Abschlussrennen einen Token für die GRID World Series zu ergattern. Habt ihr vier dieser Tokens erhalten, seid ihr für die World Series und damit die höchste und letzte Rennklasse qualifiziert. Auf dem Weg zu den Abschlussrennen müsst ihr immer wieder Geld in neue Autos investieren und könnt euren Teamkollegen tauschen. Auch levelt ihr pro gewonnene Rennen und habt so auch Zugriff auf bessere Autos und Kameraden. Insgesamt erwarten euch 60 Autos und 80 Strecken, was jetzt natürlich nach einer durchaus stattlichen Zahl klingt und doch für viele Stunden Spielspaß sorgen sollte.

Das Problem ist aber leider die gesamte Aufmachung, denn schlussendlich laufen sämtliche Rennen nach dem gleichen Muster ab und werden nur selten durch Time Attack Veranstaltungen aufgelockert. Die Checklisten-artige Aufmachung kann zwar Anfangs überzeugen und macht durch Faktoren, welche im nächsten Punkt behandelt werden, durchaus für kurze Zeit Spaß, doch irgendwann hat man einen Punkt erreicht, wo die Abwechslung einfach zu kurz kommt und der  gesamte Spielfluss in reines Abarbeiten ausartet und letztlich die Motivation auf lange Sicht zu kurz kommen lässt. Wo man bei anderen Spielen auf den Multiplayer ausweichen kann, bietet Codemasters neuester Ableger gerade einmal ein schnelles Rennen und die Möglichkeit, eigene Partien zu erstellen. In anderen Worten: GRID erschlägt euch mit Masse statt Klasse und das überrascht in Anbetracht der (mit Ausnahme von GRID 2) guten bis sehr guten Vorgänger eindeutig zum Negativen.

Zwar stammt dieser Screenshot ziemlich vom Beginn der Karriere, doch liefert er einen klaren Ausblick über den Ablauf…

Tolles Arcade-Feeling ohne Arcade-Spirit

Wenn GRID allerdings etwas richtig gut gelungen ist, dann sind es die Rennen selbst, denn die Fahrmechanik ist serientypisch hervorragend, wenn auch wesentlich leichter als zuvor. Zwar ist das Fahrverhalten weit von einer Simulation entfernt und ordnet sich ganz klar im Bereich Arcade an, aber gewisse Wurzeln zu Toca Touring Cars und DTM Race Driver, welche schlussendlich in der GRID Serie gemündet sind, kann auch das Reboot nicht leugnen. Das Geschehen ist intensiv und die KI durchaus fordernd. Vor allem das Nemesis System kann einem zum Verhängnis werden: Fährt man gewisse Autos zu oft an, bekommt ihr den Zorn des KI Fahrers zu spüren, der euch dann bei jeder günstigen Gelegenheit versucht, von der Strecke zu befördern.  GRID punktet definitiv mit der Action in den Rennen und fühlt sich dabei richtig gut an.

Jetzt stimmt zwar das Feeling, doch der Titel hat ein weiteres Problem: Für einen Arcade-Racerfehlt GRID jegliche Form der entsprechenden Inszenierung. Zwar habt ihr zwei Moderatoren, welche euch in die jeweiligen Strecken zu Beginn präsentieren, doch wirken beide steril und mehr bemüht als wirklich präsent. Dasselbe kann man auch vom Leben und die Strecken selbst sagen: Zuschauer stehen steif am Rand, auf den Strecken selbst tut sich nichts und sogar Ballone weigern sich, wirklich in den Himmel aufzusteigen. Wo bei der Konkurrenz Reizflutung-par-Execellencè auf dem Programm steht, wirkt GRID einfach starr und alles andere als lässig und locker, was bei Titeln dieser Machart eigentlich doch auch einen wesentlichen Faktor darstellt. Für Kenner des ersten Teils ist das wohl die größte Enttäuschung, da gerade Race Driver GRID anno 2008 elegant und stilvoll daherkam und diesen Arcade-Spirit richtig gut vermittelt konnte.

Technisch sauber, nur mit verhaltensoriginellem Schadensmodell

In einer Disziplin kann Codemasters auf ganzer Linie punkten, und das ist die Technik: Auf unserer PS4 Pro lief GRID die meiste Zeit über mit 60FPS bei hochskalierten 4K und hinterließ einen sehr guten Eindruck. Die Fahrzeugmodelle und Strecken sind detailgetreu und schön in Szene gesetzt und gerade dieser Umstand steht leider im starken Kontrast zur sonst so steifen und lieblosen Inszenierung von GRID, kann aber auf diesem Weg Pluspunkte für den Titel sammeln. Weniger schön ist allerdings die Umsetzung des Schadensmodells, welches sich durchaus eigenwillig verhält. So kann eine leicht beschädigte Tür des Kofferraums ganz plötzlich abheben und federleicht durch die Lüfte gleiten.

Beim Sound wiederum kann der Titel kann auf ganzer Linie überzeugen: Die Motoren der Fahrzeuge klingen wuchtig und der Mix selbst wirkt sehr harmonisch. Sogar das Publikum weiß in diesem Punkt, wie es euch lauthals anfeuert und Übergänge zwischen offenen Bereichen und Tunnelpassagen sind schön mit den entsprechenden Veränderungen untersetzt. Einzig serientypisch schwach ausgefallen ist der Soundtrack, der bestenfalls als zweckmäßig bezeichnet werden kann. Der letzte Punkt, wo GRID punkten kann, ist die Steuerung: hier merkt man das jahrelange Knowhow von Codemasters, die ihr Handwerk bestens beherrschen. Jede Eingabe ist punktgenau und untermauert einmal mehr das gute Fahrgefühl.

Fazit

Zwar kann GRID mit hübscher Optik und einem hervorragenden Fahrgefühl punkten, jedoch fehlt dem Titel aufgrund eines schwachen Karrieremodus, der sterilen Präsentation und dem faktisch belanglosen Multiplayer die gewisse Langzeitmotivation, um für ausufernde Abende vor der Konsole zu sorgen. Freunde von intensiven Rennen sollten aber gerade wegen des großartigen Fahrgefühls zumindest einen Blick auf den Titel werfen, da GRID für kurzweilige Sessions durchaus Spaß macht.

Positiv

+ großartiges Fahrgefühl

+ schöne Fahrzeugmodelle

+ hübsche Optik…

Negativ

– … die furchtbar steril inszeniert ist

– steife Präsentation

– Karrieremodus bietet keine Langzeitmotivation

– Multiplayer quasi nicht präsent

– fragwürdiges Schadensmodell

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Written by: Patrice Naderi

Multikonsolero, Film- und Seriennerd aus Leidenschaft, Technikjunkie, Comicsammler, Sportfan und Müslivernichtungsmaschinerie.