Goodbye, GameStop – Das Ende einer langen Reise für Konzern und Kunden gleichermaßen

Wenn ihr regelmäßig Artikel auf Cerealkillerz lest, stehen die Chancen hoch, dass ihr zumindest einmal in eurem Leben einen GameStop in Österreich besucht habt! Die Möglichkeit dazu besteht allerdings nicht mehr lange, denn mit dem 11. Februar 2023 schließen alle übrig gebliebenen GameStop-Filialen bei uns. Was waren über die Jahre eure Eindrücke, wenn ihr unter der weiß-roten Leuchtreklame geschritten in den nächstgelegenen Store seid? Verträumter Nerd-Himmel? Absolute Abzock-Hölle? Oder irgendetwas dazwischen? Ich bin schon lange mit der GameStop-Kette vertraut und kurz nach Weihnachten noch einmal in einer der letzten drei in Österreich verbliebenen Standorte gewandert – dies ist meine Geschichte!

Bei den vielen -10%-Transparenten muss man sich willkürlich fragen, ob man sich nicht den ganzen Konzern leisten könnte(inklusive Pikachu-Plüschi).

Vor über einer Dekade eröffnete die Einzelhandelskette auch in unserer verschlafenen Republik ihre erste Filiale, und wie viele war ich fasziniert von dem Gedanken, dass ich meine alten durchgespielten Spiele, die so oder so nur in der Ecke verstaubten, gegen bares Geld oder (etwas mehr) Store-Credit eintauschen konnte, um dafür neue zu erhalten – und diese waren zumal auch noch ein wenig billiger, sofern sie bereits von einem anderen Zocker dort zurückgelassen wurden. „Besser geht’s nicht“, war damals ungefähr mein Gedanke! Zumal hatte ich stets das Glück, auf freundliche und bereitwillige gleichgesinnte Angestellte hinter der Theke zu treffen, die mir über die Kasse die besten Preise für gebrauchte Spiele machten und auch ein- oder zweimal bei der Altersbeschränkung ein Auge zudrückten. Ein absolutes Gaming-Paradies für Alt und Minderjährig!

Auf Nachfrage habe ich erfahren, dass der „Stress Controller“ weder mit PSX, PS2, PS3, PS4 noch PS5 kompatibel ist.

Doch über die Jahre ist die Farbe ein wenig abgeblättert: Von einem Freund erfuhr ich, er konnte bei einem besserwisserischen Store-Mitarbeiter auch gegen ein wenig Aufzahlung den neusten Ableger einer bekannten Ego-Shooter-Reihe (dessen Name sich auf „Hall of Shooty“ reimt) nicht gegen einen wesentlich älteren Teil eintauschen, da dieser anscheinend – laut Zitat – „doch wesentlich besser ist, und noch viel mehr wert“. Zu dieser Zeit begann ich auch die von GameStop stark beworbene 9.99er*-Aktion zu überdenken, bei der man zwei Titel aus einer vorbestimmten Liste inklusive 9.99 Euro gegen die Vorbestellung eines kommenden Titel „eintauschen“ konnte. Die Spiele aus der Liste waren aber meist selbst noch genug wert, sodass man sie als Privatperson auf damals immer populärer werdenden, virtuellen Marktplätzen wie Willhaben verkaufen konnte. Ich erinnere mich immer gerne daran, wie ich Just Cause 4 Anfang 2019 innerhalb von zwei Wochen auf 100% durchgespielte hatte und es dann zu dem selbem Preis wieder verkaufen konnte. Das war damals so ungefähr der Punkt, an dem mir der Gedanke kam: Wozu eigentlich der überflüssige Mittelsmann mit den Initialen „GS“?

Der „Mittelsmann“ würde damals circa zur selben Zeit auch auf vermehrt auf die Funko Pop!-Figuren setzen.

Ich war anscheinend nicht der einzige, der sich die Frage nach der Existenzberechtigung von GameStop stellte: Das Unternehmen begann, rote Zahlen zu schreiben, weil man Neupreistitel auch überall anderswo erhalten konnte, und sich für gebrauchte nur kurz im Internet mit anderen kurzschließen musste. Nicht zu vergessen ist auch das Verlagern des Schwerpunkts von Hardware-Käufen auf den Online-Store der jeweiligen Spielekonsole, die mit jeder neuen Generation mehr auf Online-Funktionen ausgelegt wurden. GameStop hat es von da an geschafft sich mit dem Verkauf von Merchandise wie Funko Pops! und der wahnwitzigen Aktien-Kursexplosion vom Januar 2021 über Wasser zu halten, doch das kommende Ende war für jeden, der sich nur ein wenig mit dem Thema beschäftigte, schon seit diesem Umbruch abzusehen.

Eine „Game Protection“ wird auch heute noch angeboten, doch wer haftet in Österreich nach dem 11. Februar?

Springen wir zu meinem aktuellsten und wohl letzten GameStop-Besuch: Beim Betreten in der SCS Wien wird man von den -10%-Schildern an jeder Ecke fast erschlagen, ich selbst manövriere mich nach zwei zuvor getrunkenen Bier und einem Espresso Martini gekonnt durch die Laufkundschaft zur Theke und frage einen höflichen Mitarbeiter, wie lange die Filiale denn noch offen habe. „Bis zum elften Februar, dann wird zugesperrt“, erhalte ich zur Antwort. „Werden noch Vorbestellungen angenommen?“ „Nein, das ist nicht mehr möglich!“ Und auch eine Liste für mögliche Titel einer 9.99er*-Aktion ist nicht mehr online… Mehr Fragen braucht es nicht – auch wenn es von offizieller Seite nie eine Stellungnahme gab, kann man mit Gewissheit schlussfolgern, GameStop wird Österreich (und in weiterer Folge auch ganz Europa) ohne Wiederkehr verlassen.

Bis jetzt bin ich mir nicht sicher, was man sich unter „Manager-Sonderverkauf“ vorstellen soll? Muss man dazu einen Manager antreffen? Oder selbst einer sein? Für einen Rabatt von maximal 1,30€?

In vielen meiner vergangenen Artikeln schreibe ich ziemlich schlecht über GameStop – das bezieht sich meist auf die fürchterlichen Praktiken, welche die Kette während der Pandemie (z.B. Angestellte ohne Schutzmaßnahmen bis zum letztmöglichen Termin arbeiten lassen) oder des Hypes der unsäglichen NFTs angewendet hat. Ich will aber nicht das Hochgefühl leugnen, dass in den Anfangsjahren in mir aufkam, wenn ich eine Filiale betrat, und jedes Regal bis auf das letzte Spiel durchkämmte, nur um sicherzugehen, bloß kein Angebot zu verpassen. Trotzdem haben sich die Zeiten geändert – und eine Kette wie GameStop kann nun einfach nicht mehr mithalten. Also egal, wie ihr persönlich dazu steht, es wird Zeit Abschied zu nehmen!

Welche Alternativen bleiben nach der Schließung? Neben den Online-Plattformen, die hier schon mehrmals Erwähnung gefunden haben, gibt es auch noch unabhängige Videospiel-Läden, die ebenfalls gebrauchte Titel anbieten, zum Teil auch für Retro-Konsolen. Die Preislage ist klarerweise aber auch hier von Angebot und Nachfrage abhängig. Wie zum Beispiel Mario Party 4 auf der GameCube, dass ich noch am selben Tag für den stolzen Preis von 79,99€ erspähen konnte…

„Top Games, Top Preis“
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Written by: Julian Bieder

Retro-Zocker, RPG-Allrounder und eifriger Trophäenjäger

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