Ghost of Tsushima PS4 Review – Der spielbare Ästhetik-Porno

Mit Ghost of Tsushima erscheint nun der letzte große Exklusivtitel für PlayStation 4; wir konnten das Samurai-Epos die letzten Wochen ausgiebig testen und verraten euch im Review, was das aktuellste Projekt von Sucker Punch Productions (Infamous/Sly Cooper) wirklich zu bieten hat.

Horizon: Zero Dawn trifft auf Sekiro: Shadows Die Twice

Im Japan des Jahres 1274 begleitet ihr den Samurai Jin Sakai bei der Rückeroberung der Insel Tsushima, die durch die mongolische Armee übernommen wurde. Eine große Inspiration für Sucker Punch waren die Samuraifilme des japanischen Regisseurs Akira Kurosawa. Vom Aufbau der Geschichte, über die Vorstellung einzelner Charaktere in Rückblendungen, bis hin zu den finalen Showdowns des Spiels merkt man den Fokus auf Stil und Ästhetik des Entwicklerteams sehr deutlich. Die größten Sorgen waren hier mit Sicherheit, ob ein amerikanisches Studio diesen doch sehr traditionellen japanischen Inhalten gewachsen ist, und ob das Gameplay nicht bei dem hohen Grad an optischen Details in den Hintergrund gerät. Jins Onkel, Lord Shimura, oder auch Khotun Khan, der Anführer der mongolischen Armee, sind gekonnt in Szene gesetzt und bieten in den gut 15 Stunden an Hauptmissionen genügend abwechslungsreiche Action. Die restlichen Nebencharakter, als auch Jin selbst wirken dafür etwas generischer und geraten sehr schnell in Vergessenheit. Bis auf einige optische Leckerbissen in Landschafs- und Leveldesign, lässt einem die Story relativ unbeeindruckt zurück und auch spielerisch ergeben sich zu wenig erwähnenswerte Momente. Die Highlights von Tsushima finden sich eher abseits der Hauptwege und in den vielen kleinen Details, die in die Skill-Sets und Kampfanimationen eingeflochten wurden. Ihr könnt euch im späteren Spielverlauf die Expert HUD Einstellung aktivieren, welche die ohnehin schon sehr schlanke HUD nochmals um einige Funktionen verkleinert und, zusammen mit dem minimalistischen Design des Spiels, eine großartige Spielerfahrung bieten kann. Es empfiehlt sich auch alle Nebenaktivitäten vor dem Abschluss der Geschichte zu erledigen, da im Endgame von Ghost of Tsushima absolut kein Bedarf mehr vorhanden ist, die freischaltbaren Fähigkeiten und Ausrüstungen einzusetzen, da kein New Game+ Modus vorhanden ist und die Gegner sich nicht unbedingt an euer Skillset und Waffenarsenal anpassen, wodurch das Endgame zu einem sehr repetitiven Abklappern von allen offenen Symbolen und Markierungen wird.

Ghost of Tsushima Screenshot Review
Rein von den visuellen Aspekten ist Ghost of Tsushima definitiv das bisher schönste Spiel auf der PS4.

Die beiden Spielstile im Fokus von Ghost of Tsushima sind Samurai und Geist. Das Samurai-Gameplay ähnelt einer Mischung aus Nioh und Sekiro. Vier freischaltbare Haltungen erlauben euch die Hauptarten von Gegnern speziell bekämpfen zu können. Diese werden mit eurer rechten Hand über R2 dynamisch im Kampf gewechselt. Etwas gewöhnungsbedürftig ist die Tatsache, dass auch eure Wurfgegenstände teils auf R2 gelegt wurden, und das Interagieren mit eurem Pferd und Sammelgegenständen befindet sich am selben Button. Dadurch werdet ihr des Öfteren beim Aufsammeln von Gegenständen das Overlay des Kampfmenüs öffnen, was durch die schnelle Animation dahinter nicht weiterhin stört. Die linke Hand habt ihr frei für alle Fernkampfwaffen und deren Zielfunktionen. Der Aufbau des Arsenals erinnert sehr stark an Assassin’s Creed bis hin zu späteren Geistfähigkeiten, wie das Aneinanderreihen von Attentaten oder auch Giftpfeile und Rauchbomben. Beim intuitiven Einsammeln von Ressourcen für das Crafting hat man sich an Horizon: Zero Dawn orientiert, daher kann man auch während des Reitens Gegenstände aufsammeln. Im Kampf selbst kommt Ghost of Tsushima wirklich nahe an eine vereinfachte Version von Sekiro heran. Unblockbare und parierbare Angriffe werden deutlich visuell angekündigt und sonst könnt ihr euch mit der jeweilig passenden Stellung durch die Mongolen und Banditen metzeln. Im späteren Spielverlauf wird das Gameplay noch deutlich umfangreicher und flüssiger, jedoch die Gegner nicht unbedingt fordernder, was wir auch bereits bezüglich den fehlenden Endgame-Anreizen erwähnt haben.

Ghost of Tsushima Pferd Screenshot
Den Namen und die Farbe eures treuen Begleiters müsst ihr bereits früh im Spiel für den restlichen Verlauf festlegen, also überlegt es euch gut.

Viele montone Abläufe von Ghost of Tsushima werden durch die unglaublich gute visuelle Darstellung etwas aufgelockert, dennoch fehlt es dem Spiel oftmals an spielerischen Anreizen. Es gibt zwar wirklich unzählige sammelbare Gegenstände und erkundbare Orte, aber die meisten freischaltbaren Ausrüstungen sind Kopfbänder oder Farbvariationen für eure Rüstungen und Schwerter. Der klassische RPG-Anreiz von epischen Gegenständen oder der Erweiterung euer Fähigkeiten wurde hier also gerade im Endgame direkt durch reine optische Verzierungen ausgetauscht. Für alle, die hier den umfangreichen Foto-Modus auskosten wollen, ist das zwar ideal, aber spielerisch setzt nach dem Abschluss der guten 15 Stunden an Hauptmissionen leider schnell die Eintönigkeit ein. Den großen Lichtblick bieten hier nur von Musikern präsentierte Erzählungen, die euch mit blauen Markern auf etwas umfangreichere Nebenaufgaben schicken. Hier müsst ihr meistens einen Kletterparkour auf einen Bergabschnitt überwinden, um am Ende einen gut inszenierten Bosskampf hinter euch zu bringen. Nach dem Abschluss solcher Quests bekommt ihr mächtige Angriffe, die euch das restliche Spiel deutlich leichter machen. Damit bekommt man zumindest hier, als auch mit dem Aufsuchen von Fox-Schreinen spielerische Elemente geliefert, die das Gameplay um ein gutes Stück verfeinern.

Ghost of Tsushima View Screenshot Review Testbericht
Die Momente, wo man in Ghost of Tsushima einfach die Aussicht genießen will, hören selten auf.

Ästhetik pur

Die grafischen und technischen Leistungen hinter Ghost of Tsushima übertreffen in einigen Bereichen sogar The Last of Us Part 2, wobei bei den Gameplay-Animationen immer noch Naughty Dog die Nase ein Stück vorne hat. Die Insel ist zwar nur in drei größere Spielabschnitte aufgeteilt, aber dafür sieht jedes Gebiet umwerfend aus und wird durch einen unglaublich gelungenen Soundtrack und Wettereffekte wunderschön untermalt. Von Haikus, über das Entspannen in heißen Quellen, bis hin zu blutigen Gemetzel mit einem Dorf voller Gegenspieler, bietet Ghost of Tsushima einen sehr interessanten Mix aus dem Reflektieren seiner Aktionen und dem klassischen Gemetzel à la Samurai-Action-Aventure – insgesamt gab es in den letzten Jahren nicht wirklich ein vergleichbares Spiel, welche dieses Samurai-Feeling so gut umsetzen konnte. In der Geschichte selbst schafft der Titel zwar nicht wirklich dem Spieler die Konsequenzen vom Abweichen des Wegs des Samurai zu vermitteln, aber die restliche Welt bietet genügend Aktivitäten, um als Spieler selbst einzutauchen und seinen eigenen Weg zu finden. Wer also mit vielleicht 30-40 Stunden inhaltsvollen anstatt mit über 100 Stunden an klassischer Open World – Spielzeit und Inhalten leben kann, wird hier ein sehr eigenes und auf jeden Fall wunderschönes Spielerlebnis finden.

Ghost of Tsushima erscheint am 17.07.2020 exklusiv für die PlayStation 4. Hier könnt ihr das Spiel bereits vorbestellen.

Fazit

Ghost of Tsushima verliert sich zwar oftmals zu sehr in optischen Details, bietet aber dennoch genügend an Gameplay-Vielfalt und Umfang, um auch klassische Open World – RPG Fans in seinen Bann ziehen zu können. Für Fans der Welt aus Samurais und Katanas bleibt der Titel sowieso in allen Bereichen ein absoluter Pflichtkauf!

Positiv

+ Samurai-Feeling sensationell durch optische Effekte und traditionelle Elemente in Szene gesetzt

+ Gameplay-Mix und Vielfalt der Fähigkeiten überzeugen

+ Definitiv einer der schönsten PlayStation 4 – Exklusivtitel

Negativ

– Generischer Verlauf und Aufbau der Hauptmissionen

– Fehlende spielerische Endgame-Anreize

– Zu starker Fokus auf rein optische Upgrades und Sammelgegenstände

Teilt uns eure Meinung mit

Written by: Gabriel Bogdan

Redaktionsleiter/Vernichter von Cornflakes und Vollzeit Gamer