Disintegration PS4 Review – Ein ambitionierter Versuch

Nach unseren ersten Runden im Multiplayer auf der Gamescom oder auch in der Open Beta, waren wir eigentlich positiv überrascht, was hier das kleine Team aus 30 Entwicklern hinter V1 Interactive auf die Beine gestellt hat. Was der Titel außer der Singleplayer-Kampagne und einigen Multiplayer Modes zu bieten hat, und ob das Genre-Experiment aus Egoshooter-Genre und Echtzeitstrategie-Elementen geglückt ist, findet ihr wie immer bei uns im Test heraus.

Gemischte Gefühle

Ursprünglich als klassisches Echtzeitstrategie-Spiel entwickelt, hat sich V1 Interactive die unglaubliche Herausforderung zur Aufgabe gemacht, einen Sci-Fi-Egoshooter in den Genre-Mix zu integrieren. In der relativ kurzen Singleplayer-Kampagne findet ihr euch in einer Welt am Rand der Zerstörung wieder, in der die Menschheit auf ein Verfahren namens Integration setzt, bei dem das menschliche Gehirn in einen voll funktionsfähigen Roboterkörper gepflanzt wird. Ihr übernehmt die Rolle des Outlaw-Anführers Romer Shoal. Dieser entkommt nur knapp den Fängen des ebenso fähigen wie manischen Black Shuck, der eine riesige Rayonne-Fraktion im ehemaligen Nordamerika kommandiert. Black Shucks autonome Truppen fallen auf der Jagd nach den letzten Überbleibseln der Menschheit über den Kontinent her. Nun liegt es an Romer und seiner Crew, die Hoffnung zu bewahren und die letzten verbliebenen Menschen auf der Suche nach Asyl in ausgeklügelten Guerilla-Aktionen zu befreien und zu retten. In zwölf Haupt-Missionen vergrößert ihr immer mehr eure Crew und vor allem euer Waffenarsenal. Als Pilot auf eurem Gravcycle kommandiert ihr eure Truppen, die alle eigene Spezialfähigkeiten mit sich bringen. Der Mix funktioniert, nimmt aber Einschränkungen in beiden Bereichen in Kauf. Taktische Befehle sind auf eure Richtungstasten beschränkt und pro Mission habt ihr im Normalfall nur zwei Waffen auf euren Gravcycle zur Verfügung, was manche Missionen beispielsweise zu einem durchgehenden Schrotflinten-Gefecht macht. Disintegration ist vergleichbar mit anderen AA-Produktionen, wie beispielsweise Hellblade: Senua’s Scacrifice: Optisch muss sich der Titel keineswegs hinter der Blockbuster-Konkurrenz verstecken und auch kleine Details wie eine üppig zerstörbare Umgebung und eine stabile Framerate trotz hohem Gegneraufkommen, sind hier eine unglaubliche Leistung des kleinen Entwicklerteams.

Disintegration Crew Review Screesnhot
Die recht diverse Roboter-Crew hat immer einen amüsanten Spruch auf der Lippe, um die trübe Situation aufzuheiten.

Leider fehlt es der Kampagne an sich oftmals an Abwechslung, Umfang und dem richtigen Pacing. Von komplett leeren Waldflächen, mit wenig bis gar keinem gegnerischen Widerstand, wird man hin und wieder vom Spiel in Situationen geworfen, wo ihr in die Enge getrieben eine Masse an verschiedensten Gegenspielern bewältigen müsst. Das sehr reduzierte Arsenal wird dann auch noch durch sehr überschaubare RPG-Elemente verdeutlicht. Die wirklichen Taktik-Elemente gehen hier im gesamten Spiel leider oftmals unter und enden durch das schlechte Level-Design in einigen Frustmomenten, trotz der relativ kurzen Spielzeit von vier bis sechs Stunden. Die Entwickler haben auf jeden Fall bewiesen, dass das Konzept funktionieren kann und Potenzial hat. Ein zweiter Teil mit etwas mehr Liebe zum Detail, mehr Budget und einiges mehr an Umfang hätte definitiv Hit-Potenzial. In der aktuellen Form fühlt sich Disintegration oftmals einfach zu „roh“ an. Beispielsweise euer Hub beziehungsweise der Hangar, wo ihr mit eurer Crew interagieren könnt und Aufträge annimmt, sieht großartig aus, nur die einzelnen Interaktionsmöglichkeiten sind äußerst beschränkt und bereits nach kürzester Zeit repetitiv. Überzeugen können hier nur vereinzelte Zwischensequenzen und die Leistung vom Protagonisten Romer Shoal. Vermutlich ist man hier auch ein wenig verwöhnt von Destiny, aber mit etwas mehr Aufwand hinter der Crew hätte Disintegration auch hier die Charaktere von Destiny alt aussehen lassen können.

Disintegration RPG Level System Testbericht
Weder mit dem Levelsystem, noch mit taktischen Feinheiten unserer Crew mussten wir uns an irgendeinem Punkt während der Kampagne auseinander setzen.

Multiplayer und die Hoffnung auf ein Disintegration 2

Sobald ihr die Kampagne hinter euch gebracht habt, warten nur noch generische Sammelaufgaben oder der Multiplayer-Part von Disintegration auf euch. Drei Multiplayer-Modi auf sechs unterschiedliche Maps aufgeteilt hat der Titel momentan zu bieten. Auch hier liefert Disintegration eher nur die klassische Kost, die man aus unzähligen Ego-Shootern bereits kennt. „Retrieval“ bleibt noch der spannendste Modus: Hier wechselt ihr zwischen dem Angreifer und Verteidiger-Team und müsst einen Kern in der gegnerischen Basis abliefern, oder die Gegner von der Abgabe abhalten. Bereits in der Multiplayer-Beta haben wir einige Stunden mit dem Modus verbringen können und auch jetzt bleibt dieser unser Favorit. Im Gegensatz zum limitierten Einsatz des verfügbaren Waffenarsenals im Singleplayer von Disintegration, habt ihr im Multiplayer deutlich mehr an Freiheiten. Die einzelnen Klassen bieten genügend Umfang und Vielfalt um jeden Spielstil zu bedienen.

Auch die Designs der Crews sind sehr ausgefallen und für die Größe des Entwickler-Teams hat man hier bereits zum Launch doch einiges an Bannern, Emotes und Designs freizuspielen. Die Schwächen kommen eigentlich momentan auf der PS4 nur im Matchmaking zum Vorschein. Wir hatten zum Launch des Spiels einige Runde, in denen wir alleine gegen ein vollständiges Team antreten mussten oder gute 5-10 Minuten Versuche starten mussten, um in ein Match zu kommen. Im Spiel selbst sind uns aber noch keine technischen Ungereimtheiten untergekommen, was überrascht. Der Multiplayer bleibt hier also der einzige Wiederspielwert, also muss man hier noch etwas abwarten, ob das Studio noch Weiteres an DLCs und neuen Inhalten in den nächsten Monaten bereit stellen kann.

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Die Multiplayer Modi im Überblick.

Die Limitierung auf zwei bestimmte Waffenarten mag anfangs etwas ungewohnt sein, aber zusammen mit den Befehlen, die man seinen Truppen erteilen kann, erzeugt man hier ein wirklich sehr eigenes Taktik-Shooter-Erlebnis. Die Expertise der Mitschöpfer von Halo und SOCOM: US Navy SEALs machen sich hier im Gameplay deutlich bezahlt. Von der reinen Taktik-Shooter Perspektive kann man hier wenig meckern. Disintegration spielt sich trotz einiger Einschränkungen großartig.

Die Bemühungen des doch relativ kleinen Entwicklerteams bleiben trotz der vielen Limitierungen beachtlich.

Fazit

Disintegration präsentiert sich als solider Mix aus Echtzeitstrategie und Sci-Fi-Egoshooter, bietet aber abseits dieses Gameplay-Experiments wenig Argumente um den Titel eine Chance zu geben. V1 Interactive hat hier eine großartige Leistung abgeliefert, nur sieht man die Grenzen der Möglichkeiten eines so kleinen Studios sowohl im Singleplayer als auch Multiplayer sehr deutlich.

Positiv

+ Die Kombination aus Echtzeitstrategie und Sci-Fi-Egoshooter funktioniert

+ Protagonist und Charakter-Design überzeugen

+ Interessante Details, wie bestimmte zerstörbare Umgebungen

Negativ

– Schlechtes Pacing und Leveldesign im Singleplayer

– RPG und Taktik-Elemente gehen oftmals komplett unter

– Multiplayer liefert momentan noch zu wenig Neues

– Generische und repetitive Aufgaben

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Written by: Gabriel Bogdan

Redaktionsleiter/Vernichter von Cornflakes und Vollzeit Gamer