Farpoint Review (PSVR / PS Aim Controller)

Virtual Reality Evolved:

Diese Szene stammt aus dem Spiel, aber man darf dabei höchstens wegschauen. (Es passiert auch nicht das, was ihr grad denkt)

Auf Farpoint setzten viele PSVR-Besitzer große Hoffnungen. Dies nicht zuletzt wegen der Marketingmaschinerie von Sony, die das Spiel jahrelang als den nächsten großen Titel für das hauseigene Virtual Reality-System vermarktet hatte. Allerdings auch, weil Farpoint, damals noch nach seinem Entwickler Impulse Gear benannt, seit seiner Erstvorstellung auf der E3 2015 stetig Lust auf mehr machte. Passend zum Namen der Entwickler, wurde mit Farpoint auch neues „Gear“ für PSVR eingeführt: der PS-Aim Controller. Dieser von Sony in Zusammenarbeit mit den Entwicklern designte, waffenförmige Controller ist Teil des Pushes von Sonys Marketingabteilung, denn das Spiel wird zusammen mit diesen zu einer UVP von 89,- € (in den USA sogar nur 79,- US$) angeboten. Ein wahres Schnäppchen also, wenn man bedenkt, dass der Titel als Disc bzw. Download als Vollpreisspiel von etwa 60€ angeboten wurde und teilweise auch noch wird. Für das Spielen ist der Aim-Controller nicht zwingend erforderlich, PSVR aber sehr wohl.

Das Spiel ist im Mai 2017 erschienen und nun seit knapp 2 Monaten auf den Markt. Die meisten Reviews sind eher durchwachsen ausgefallen, wobei das Feedback der Endnutzer, die das doch sehr rare und oft weit über UVP verkaufte Bundle ergattern konnten, besser ist, als das der Medien (siehe Open Critic).

Die Einleitung klingt jetzt also so, als wäre das Spiel den Erwartungen nicht gerecht geworden. Nun, das stimmt einerseits, andererseits waren diese wohl auch ungerechtfertigt hoch, gerade bei den Leuten die das ganze Marketingmaterial von Sony aufgesogen haben (sprich, die Fachmedien). Wir nehmen uns nach dem anfänglichen Hype nochmal des Spiels an und schauen, was funktioniert und wo das Spiel an Potential liegen hat lassen. Das Spiel wurde auf der PS4 Pro, in Englisch und hauptsächlich mit dem PS-Aim Controller getestet.

Virtuelle Gängelung

Farpoint beginnt ganz klein und unscheinbar. Man sitzt (oder besser noch, wie zum Start des Spiels angewiesen, steht) mit der Waffe in der Hand vor einem kleinen Camcorderbild im Cinemamodus des PSVR und lernt, in bester Resident Evil 7 Manier, über ein nett gemachtes Selfievideo die beiden Protagonisten der Geschichte kennen: Herr Dr. Moon und Frau Dr. Tyson. Beide freuen sich darauf, nach einer langen Studie einer Weltraumanomalie bald wieder heimzukommen und der Spieler soll das ermöglichen. Man übernimmt also die Rolle eines Piloten, der die beiden sicher zur Erde zurückbringen soll. Nach dem Einführungsvideo wird zur „POV-Cam“ des Piloten geschalten und nun hat man volle Kontrolle… über seinen Kopf.

Aber, aber… Ich steh doch!

Leute die sich jetzt hier an die anfänglichen Anweisungen des Spiels, also in der Kalibrierungszone zu STEHEN, gehalten haben, schauen wahrscheinlich erstmal verwirrt auf ihren sitzenden virtuellen Unterköper. Die Waffe in Ihrer Hand wedeln sie wahrscheinlich auch vergebens durch die Luft, die virtuellen Hände machen keinen Muchs vom Steuerknüppel des Raumschiffs. Die ersten 10 Minuten des Spiels laufen also komplett ohne Einwirken des Spielers ab. Selbst als die Anomalie schlussendlich das macht, was man sich von ihr auch erwartet, also explodieren und dabei Alles und Jeden durch ein Wurmloch auf einen Wüstenplaneten zu verfrachten, darf man erstmal nur zusehen.

Das Spiel zündet gleich in den ersten Minuten ein Effektefeuerwerk. Der Spieler darf erst später ran.

Diese Designentscheidung zieht sich leider durch das gesamte Hauptspiel hindurch und zwar nicht nur bei den zahlreichen Zwischensequenzen, sondern auch gewissermaßen beim Gameplay. Die „Gängelung“ ist hier sogar wortwörtlich zu verstehen, denn anstatt der Möglichkeit, die extraterrestrischen und zugegebenermaßen weitläufigen Wüstenlandschaften, Höhlen und Hügel zu erkunden, ist ein stets geradliniger und nach vorne verlaufender „Gang“ vorgegeben, von dem man auch nicht abkommen kann. Dies spiegelt sich auch in der Standardkonfiguration des Spiels wieder, die es nicht erlaubt sich per Analogstick (wie z.B. bei RE7) zu drehen. Das ganze Spiel ist also grundsätzlich darauf ausgelegt, immer geradeaus zu laufen.

 

Aber was, wenn ein Gegner im Weg steht?

Wenn sich einen also Gegner in den Weg stellen, kann man diese so gut wie gar nicht umgehen. Man muss durch sie durch. Und hier liegt eigentlich auch die Stärke des Spiels: Das Gunplay. Besonders mit dem Aim Controller ist es ein tolles Gefühl, sich durch die Steppen und Canyons des fremden Planten vorzutasten und dann hastig die Waffe hochzuhalten um über Kimme und Korn alles Feindselige wegzublasen. Dabei finden die Auseinandersetzungen meist in weitläufigen arenaartigen Gebieten statt, bei denen man sich sogar hin und wieder hinter verschieden Steinformationen oder Raumschiffskeletten verstecken kann. Munition ist dabei kein Problem, da alle Waffen für den primären Feuermodus unendlich davon haben. Sie können einzig überhitzen oder aber müssen per Knopfdruck nachgeladen werden (dabei entziehen die Waffen anscheinend der Atmosphäre Energie, um Munition zu generieren). Der sekundäre Feuermodus ist allerdings teilweise Projektil basiert und muss demnach mit entsprechender Munition (z.B. Raketen oder Granaten) versorgt werden. Diese sollte man sich allerdings für die sehr imposanten und durchaus fordernden Endbosse aufbehalten.

Über Kimme und Korn zielen klappt wunderbar. Außerdem verpasst man dank Armbanduhr nie einen Termin.

Man kann aber auch aus der Hüfte schießen.

 

 

 

 

 

 

 

 

Moment mal, was ist jetzt mit Dr. Moon und Dr. Tyson?

Das Spiel und die Story laufen aus gutem Grund getrennt voneinander ab. Mehr sei dazu jetzt allerdings auch nicht erwähnt. Im Spiel kommt man über verschiedene holografische Aufnahmen dem, was nach dem Sprung durch das Wurmloch passiert ist nach und nach auf die Spur. In den Zwischensequenzen, die ganz klassisch zwischen dem einen und den anderen Level ablaufen, lernt man hingegen die beiden Charaktere besser kennen. Durch die relativ guten Animationen und den talentierten Synchronsprechern, als auch ganz nett geschriebenen Gesprächen, lernt man im Laufe des Spiels beide Charaktere zu mögen, auch wenn mir persönlich einer der Beiden anfangs ziemlich auf den Geist ging. Letzteres ist aber auch ein klarer Hinweis darauf, dass die Performance der digitalen Akteure gut genug ist um tatsächlich auf einen einzuwirken.

Don’t worry, I’m a doctor.


Die Technik, die das alles ermöglicht … oder auch nicht

Das Spiel sieht grundsätzlich sehr gut für einen PSVR Titel aus, neben den glaubhaft animierten und recht realistisch aussehenden Protagonisten, als auch den toll designten Insektenaliens, grenzen einige Aussichten schon fast am Fotorealismus und teleportieren den Spieler tatsächlich in eine andere Welt. Texturen sind gestochen scharf und gut detailliert, Schatten und Lichteffekte sowie Explosionen sind hoch aufgelöst und trotz der sehr weitläufigen Umgebungen fällt keinerlei Pop-in bzw. aggressives LOD-Switching auf. Leider beißt sich das weitläufig, meist sehr helle und wie erwähnt teils sehr detaillierte Design der Alienwelt auch etwas mit der niedrigen Auflösung des PSVR Headsets. Weit entfernte Details vermischen sich oft zu einem unerkennbaren Pixelmatsch und scharfe Kanten von z.B. Gebirgen in der Ferne flimmern Augenkrebserregend vor sich hin. Dafür läuft das ganze immer bei absolut einwandfreien 60 Bildern pro Sekunde (was bei VR-Titeln notwendiges Minimum ist) und setzt den Spieler nach einer einmaligen Ladezeit kaum weiteren Ladezeiten aus.

Das Spiel hat grafisch einiges zu bieten.

Aber echt.

 

 

 

 

 

 

 

Das Tracking des Headsets als auch des Aim Controllers funktioniert, insofern richtig kalibriert, sehr gut. Dabei ist es empfehlenswert die Kamera so weit wie möglich (etwa 2,5-3m) von sich entfernt aufzustellen und selbst tatsächlich zu stehen oder zumindest die Kamera auf Augenhöhe zu haben. Dadurch hat man etwas mehr Spielraum um sich selbst und die Waffe zu bewegen, da man sonst sehr oft an die Grenzen des Sichtfelds der Kamera bzw. der Beweglichkeit des eigenen Körpers stößt. Das Spiel lässt sich auch mit dem DS4-Controller spielen und dies funktioniert überraschend gut. Leider verliert man dabei komplett die Immersion, die man mit dem Aim Controller hat und auch das Zielen fällt etwas schwerer. Durch die Positionierung der Light-bar am DS4, sind Schwenks der Waffe von größer als etwa 65° nicht möglich. Natürlich kann die Kamera auch den Aim Controller nicht mehr erfassen, wenn man ihn mit seinem Körper verdeckt. Als solches ist es nicht möglich Gegner hinter sich gezielt aufs Korn zu nehmen, es sei denn, man ändert die Konfiguration so, dass man sich mit einem Analogstick auch drehen kann. Dafür gibt es drei Optionen: Kleine Bewegung, Große Bewegung, Flüssig.

Beim Testen schien die zweite Einstellung den besten Kompromiss zwischen Drehgeschwindigkeit und „Motion Sickness“ zu bieten. Leider macht das Spiel die Sprünge nicht wie RE7, ohne Verzögerung, sondern blendet das Bild immer kurz vor dem Schwenk aus. Der flüssige Kameraschwenk verursachte beim Test leider ein ungutes Gefühl im Magen, weshalb dieser für einen großen Teil der Nutzer wohl nicht zu empfehlen ist.

Der tote Winkel der Kamera.

Der Aim Controller wird 1:1 erfasst.

 

 

 

 

 

 

 

Allerdings war das Umdrehen während des Hauptspiels nie ein Problem, da wie bereits erwähnt, das ganze Spiel darauf ausgelegt ist, dass eigentlich immer alles vor dem Spieler liegt. Man kann auch beobachten wie gewisse Gegner (vor allem die kleinen Spinnen) immer wieder vor den Spieler laufen, anstatt ihn von hinten anzugreifen. Dies kann als etwas faule Lösung kritisiert werden, aber wirkt wohl auch sehr viel Frust entgegen. Insgesamt sind die technischen Limitationen absolut verkraftbar, wenngleich offensichtlich noch elegantere Lösungen für diese Unzulänglichkeiten gefunden werden sollten.

Umfang und Fazit

Das Hauptspiel sollte zwischen 7-10 Stunden beschäftigen, leider kommt das Ende etwas unverhofft und lässt bestimmt einige Spieler unbefriedigt zurück. Dafür bietet das Spiel neben einen Challange-mode, in dem es gilt leicht adaptiere Fassungen der Levels aus der Hauptkampagne möglichst schnell und sauber durchzuspielen, einen CoOp-Modus für zwei Spieler über das Internet. Bei beiden Modi sind die Gefechte wesentlich anspruchsvoller als in der Hauptkampagne. Dies zeigt sich vor allem im CoOp und den für diesen Modus exklusiv designten Levels. Die Levels für den CoOp sind weniger weitläufig als in der SP-Kampagne, warten aber mit größerer Gegneranzahl und vor allem mehr taktischen Möglichkeiten auf.

Die Docs machens vor: Lieber in Deckung bleiben, bis sich das Leben regeneriert…

Aufgrund des eingebauten Mikros im VR-Headset konnten wir uns geschickt absprechen und so zum Beispiel aufteilen um gleich mehrere Flanken zu sichern. Das Spiel nimmt hier auch etwas weniger Rücksicht auf die Limitationen von VR und ich habe mich öfter dabei ertappt, wie ich aufgrund des Grunzens(?) eines Insektenaliens mich gerade noch rechtzeitig, teils sogar über den Analogstick, umgedreht habe um einen Gegner, der uns trotz aller Anstrengungen flankiert hatte, den Garaus zu machen. Insgesamt macht das Spiel im CoOp wesentlich mehr Spaß, da es die Spieler einfach ins Gefecht wirft und nicht wie die Hauptkampagne versucht an der Hand in die VR zu leiten.

In einem kostenlosen Patch wurde das Spiel letzthin sogar um zwei weitere CoOp-Level erweitert und bietet somit, insofern man einen Freund hat, der PSVR, Farpoint und eventuell sogar den Aim Controller hat, ein durchaus rundes Paket, das leider im Hauptspiel wegen den eigens gesetzten Limitierungen und etwas zu vorsichtigen Umgang mit VR, hinter den hochgesteckten Erwartungen zurückbleibt.

Patch notes. Eine nette Überraschung.

Positiv

+ Eigens auf VR maßgeschneidert

+ Gut funktionierende Technik (Aim Controller)

+ Tolle Grafik für ein VR spiel…

+ Guter Umfang…

+ Interessante Charakterentwicklung…

+ CoOp Multiplayer

+ Gratis DLC

Negativ

– …dafür sehr lineares Gameplay

– Technische Limitierungen nicht kreativ gelöst

– …getrübt von niedriger Auflösung des PSVR

– …mit Cliffhanger Ending in der Hauptkampagne

– …allerdings ohne Einwirken des Spielers

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Written by: Christian Lang